Podium in Kriens
Wie geht man mit trauernden Menschen um? Konkrete Hilfe im Alltag ist besser als Standardsprüche

Trauernde Menschen lösen im Umfeld oft Unsicherheit aus. An einem Podium in Kriens sprachen Betroffene über ihre Erlebnisse und darüber, was ihnen geholfen hat und was nicht.

Veronika Rojek-Wöckner Jetzt kommentieren
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Trauernde müssen es oft schmerzhaft erfahren: Bekannte und Nachbarn, die vom Todesfall erfahren, machen einen Bogen um sie. Der Umgang mit Ereignissen, welche die aufgeräumte Ordnung des Alltags stören, ist nicht nur für die Betroffenen eine Herausforderung, sondern auch für das Umfeld.

Die Krienser Frauen haben diese Thematik aufgegriffen und am Mittwoch die Podiumsdiskussion «Der Tod unter uns» organisiert. Angeleitet von Moderatorin Andrea Huber Ramirez wurden im sehr gut gefüllten Gallusheim viele Fragen zum Umgang mit Trauernden erörtert.

Überforderung auf beiden Seiten der Trauer

«Es wird viel über die verschiedenen Trauerphasen geschrieben. Doch nur sehr wenig darüber, wie man mit Trauernden umgehen soll», begrüsste Andrea Huber die rund 100 Besucherinnen und Besucher sowie die Podiumsgäste, die einen geliebten Menschen verloren hatten. «Vor 13 Jahren hat mich eine Freundin aus dem Krankenhaus angerufen. Ihre Tochter ist tot geboren worden. Ich dachte damals, dass ich sie in Ruhe lassen sollte. Heute habe ich ein anderes Bild.» Denn sie selbst hat ihren 48-jährigen Mann vergangenes Jahr an Corona verloren. «Das hat mir ein neues Gesicht von Trauer gezeigt, wie ich es noch nie gesehen habe. Ich habe alles gebraucht: Umarmen, Rasenmähen, Kochen. Sprüche jedoch wie ‹Zeit heilt alle Wunden› haben nicht geholfen.»

Berührungen oder Gesten helfen meist mehr als Floskeln wie «Die Zeit heilt alle Wunden».

Berührungen oder Gesten helfen meist mehr als Floskeln wie «Die Zeit heilt alle Wunden».

Bild: iStockphoto

Danach erzählte Franziska Heiniger von den ersten Wochen nach dem plötzlichen Tod ihres 3½-jährigen Sohnes: «Es war absolute Überforderung. Niemand stellt sich vor, dass das Kind von heute auf morgen stirbt. Es gab einerseits sehr viel Unterstützung. Meine Mutter war einige Wochen bei uns daheim, das hat sehr geholfen. Mir ist es aber auch passiert, dass Leute weggehuscht sind, wenn sie mich gesehen haben.»

Für diese Überforderung im Umgang mit Trauernden habe sie auch Verständnis: «Es gibt nichts, was man sagen kann, das es wieder gut macht. Manchmal kann aber eine Berührung guttun, oder eine Geste, die zeigt: ‹Ich bin da. Ich bin auch betroffen.›»

Trauerhilfe braucht Mut

Das Podiumsgespräch zeigte, dass Trauerhilfe vor allem Mut braucht. Im Umgang mit Trauernden geht es darum, das Schwere und Schmerzhafte miteinander auszuhalten und dabei den Mut zu haben, Fragen zu stellen oder ehrlich zur Überforderung zu stehen. Was helfe, seien konkrete Hilfsangebote, sich nicht davon entmutigen zu lassen, wenn diese mal abgelehnt werden.

Weniger hilfreich seien Standardsprüche, wie Corina Camenzind erzählte, deren Ehemann infolge von Diabetes verstarb. In den ersten Wochen nach dem Tod sei ihre Kraft einfach weg gewesen. «Angebote wie ‹melde dich, wenn du etwas brauchst› bringen nichts. Man hat keine Energie, auf jemanden zuzugehen.» In Camenzinds Fall habe eine Freundin konkret geholfen, indem sie die Betreuung der vier Kinder für ein paar Tage übernahm. «Ich hatte eine Woche frei, eine Woche zum Trauern. Vorher war es so, als ob ich weitermachen muss, ich musste funktionieren.»

Der Trauerprozess ist individuell

Während in der Zeit direkt nach dem Tod noch viel Präsenz vom Umfeld spürbar ist, berichteten alle Podiumsgäste, dass dieses in den Monaten danach ermüdet. «Die Welt dreht sich weiter, sie ist nur für mich stehen geblieben», fasste Huber zusammen. Und auch da gäbe es keine Patentlösung, denn der Trauerprozess ist sehr individuell.

So lässt sich die Antwort auf die Frage, was Trauernde brauchen, auch nicht einfach beantworten. Im Laufe des Prozesses können sich Bedürfnisse auch ändern, Gefühle erst nach Monaten oder Jahren hochsteigen. Da brauche es dann die Ausdauer, um zu sagen: «Ich bin noch da für dich. Ich ermüde nicht.» Zudem sei auch professionelle Hilfe sehr wichtig.

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