Smart City
Wegen ChatGPT & Co.: Luzern führt als erste Schweizer Stadt einen Ethikbeirat ein

Das neue Gremium besteht aus fünf Experten und Expertinnen, die die Verwaltung und Politik bei Digitalisierungsprojekten beraten. Sie sollen Risiken wie Datenmissbrauch oder das Ausschliessen von nicht-digitalen Bevölkerungsschichten erkennen.

Lukas Zwiefelhofer 2 Kommentare
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Die Digitalisierung erfasst so gut wie jeden Bereich des Lebens. Auch öffentliche Verwaltungen beschäftigen sich mit den technologischen Veränderungen. So bieten ihnen diese etwa die Möglichkeit, breiteren Bevölkerungskreisen den Zugang zu Dienstleistungen zu erleichtern. Im Zusammenhang mit städtischen Digitalisierungsprozessen wird dabei oft von einer «Smart City» gesprochen, einer Stadt, die technologische Innovationen gezielt in Politik, Verwaltung und Stadtplanung einbaut.

In der Technik geht es um das Können, in der Ethik hingegen um das Sollen. So lautet ein bekannter Spruch unter Philosophen. Nicht alles, was technisch realisierbar ist, ist aus ethischer Sicht erstrebenswert. Das gilt auch für Smart-City-Projekte.

Was passiert mit den Daten?

Diesbezüglich stellen sich einige kritische Fragen: Was passiert mit den öffentlich gesammelten Daten der Bürgerinnen und Bürger? Wie kann gewährleistet werden, dass Grundrechte wie der Schutz der Persönlichkeit nicht verletzt werden? Und wie stellt man sicher, dass Menschen ohne Zugang zur digitalen Welt nicht zu kurz kommen?

Um Fragen dieser Art zu klären, hat man in Luzern bereits 2021 im Rahmen der Digitalstrategie beschlossen, einen Beirat für digitalethische Fragestellungen einzuführen. In diesem Jahr soll das neue Gremium, bestehend aus fünf Expertinnen und Experten sowie zwei Mitarbeitenden der Stadt, nun zum ersten Mal tagen, wie die Stadt mitteilt. Luzern ist die erste Schweizer Stadt, die einen solchen Schritt vollzieht.

Wie umgehen mit ChatGPT & Co.?

Urs Truttmann, Leiter Digital der Stadt Luzern.

Urs Truttmann, Leiter Digital der Stadt Luzern.

Bild: Patrick Hürlimann

Wieso braucht es aus Sicht der Stadt den Ethikbeirat? Urs Truttmann ist Leiter Digital der Stadt Luzern und nimmt von Amtes wegen Einsitz. Er erklärt, dass der öffentliche Sektor künftig vermehrt auf komplexe, ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung stossen werde. «Dank eines Ethikbeirats kann die Stadt Luzern diese Fragen breiter und fundierter besprechen sowie beantworten.» Als Beispiele nennt Truttmann das autonome Fahren, den Einsatz von künstlicher Intelligenz wie etwa ChatGPT, das Metaverse sowie den Einsatz von Sensoren.

Präsident des Ethikbeirats ist Peter G. Kirchschläger, Professor an der Universität Luzern und Leiter des Instituts für Sozialethik. Er erklärt, Städte seien als Gemeinwesen der gesamten Bevölkerung gleichermassen verpflichtet. Und datenbasierte Systeme würden die Chance bieten, breitere Bevölkerungskreise aktiv einzubeziehen und die Zugänglichkeit städtischer Dienstleistungen niederschwelliger zu gestalten.

Peter G. Kirchschläger, Professor an der Uni Luzern und Präsident des Ethikbeirats.

Peter G. Kirchschläger, Professor an der Uni Luzern und Präsident des Ethikbeirats.

Bild: Universität Luzern

Gleichzeitig bestehe in der Realität aber eine «digitale Kluft», sagt Kirchschläger. Die Städte müssten sich deshalb fragen, inwiefern sich eine «Digital first»- beziehungsweise «Digital only»-Politik sich mit dem Ziel vereinbaren lässt, allen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu städtischen Dienstleistungen zu ermöglichen. Neben dem Gleichheitsgrundsatz sieht der Ethikprofessor noch weitere Prinzipien durch Smart-City-Projekte gefährdet:

«Die Menschenrechte auf Datenschutz und Privatsphäre werden im Zuge der digitalen Transformation tagtäglich verletzt.»

So auch in der Stadt Luzern. Kirchschläger sieht diesbezüglich Handlungsbedarf. Städte würden in vielen Bereichen selbst Daten beschaffen, die verwaltet werden müssen. Die Gefahr dabei: Solche Daten können für eine Vielzahl von Zwecken bearbeitet und ausgewertet werden.

Ethische Risiken erkennen und vermeiden

Kirchschläger erklärt, der Ethikbeirat wolle dazu beitragen, dass ethische Risiken wie Massenüberwachung, Handel mit Daten oder prädiktive Polizeiarbeit – also wenn die Polizei durch Datenanalyse versucht, zukünftige Straftaten vorherzusagen – als solche erkannt und vermieden werden. Letztlich gehe es aus Sicht des Ethikbeirats darum, dass Luzern eine menschenrechtsbasierte Smart City werde und «dass die in Luzern lebenden Menschen in den Genuss der ethischen Chancen von Smart City kommen».

Risiken der Digitalisierung wie Handel mit Daten sollen vermieden werden.

Risiken der Digitalisierung wie Handel mit Daten sollen vermieden werden.

Bild: Christian Beutler/ Keystone

Politische Stellen, die von einem Austausch mit dem Ethikbeirat profitieren könnten, sind laut Urs Truttmann die stadträtlichen Kommissionen, andere Gemeinden oder der Kanton Luzern. Wie die Kommunikation zwischen den Institutionen und dem Beirat ablaufen soll, werde ein Thema am ersten Treffen sein.

Wann genau der Ethikbeirat zum ersten Mal tagen wird, sei noch nicht festgelegt. «Ich gehe davon aus, dass ein erstes Meeting vor den Sommerferien angesetzt werden kann», sagt Truttmann. Auch gebe es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Projektliste, die besprochen werden könnte. Der Ethikbeirat habe aber jetzt schon die Möglichkeit, sich über geplante und laufende Digital-Projekte der Stadt zu informieren.

2 Kommentare
Peter Wicki

ChatGPT ist nur eine Seite der künstlichen Intelligenz. Mit DeepL write, Nacht Cafe, usw. entwickeln sich andere (fantastische) Tools, wo Daten abgefangen und ausgewertet werden können.