TUGGEN: «Ehemalige Kontaktbar war ein Terrorregime»

Am zweiten Tag im Schwyzer Menschhandels-Prozess hat die Staatsanwaltschaft die ehemalige Kontaktbar Bolenberg als Terrorregime bezeichnet. Sie widersprach damit den Darstellungen der Verteidiger.

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Das Haus Bolenberg in Tuggen steht seit Jahren leer. Rund um die frühere Kontaktbar kreuzen aber immer noch die Pflichtverteidiger und die Oberstaatsanwaltschaft die Klingen. (Archivbild Keystone / Sigi Tischler)

Das Haus Bolenberg in Tuggen steht seit Jahren leer. Rund um die frühere Kontaktbar kreuzen aber immer noch die Pflichtverteidiger und die Oberstaatsanwaltschaft die Klingen. (Archivbild Keystone / Sigi Tischler)

Zuvor hatten am Dienstag im Berufungsprozess die Verteidiger von sieben der zehn Beschuldigten ihre Plädoyers gehalten und für die im Zusammenhang mit dem Bordell vorgeworfenen Delikte Freisprüche gefordert. Wie schon am Montag, wurde dabei der Bolenberg in Tuggen als Kontaktbar dargestellt, in der es weder Menschenhandel gegeben habe noch Frauen zur Prostitution gezwungen worden seien.

Zugunsten der Beschuldigten angeführt wurde auch, dass diese nur Randfiguren im Bolenberg-Betrieb gewesen seien. Dies wurde etwa für den 73-jährigen Vermieter geltend gemacht, der auch die Wirtebewilligung inne hatte.

Der 44-Jährige, der von der Vorinstanz als Stellvertreter des Geschäftsführers eingestuft worden ist, hat nach Angaben seines Verteidiger keine Macht gehabt, denn man habe ihm misstraut. Es sei nicht bewiesen, dass er den Handlungsspielraum der Frauen wesentlich beschränkt oder über sie wie Ware verfügt habe.

Auch formale Mängel am Strafgerichtsurteil wurden angeführt, so etwa im Falle eines 38-jährigen mutmasslichen Mittäters. Die Verurteilung wegen versuchten Menschenhandels stütze sich auf ein nicht verwertbares abgehörtes Telefonat, sagte sein Anwalt.

Beschuldigte in Doppelrolle

Eine Aufhebung der Verurteilung wegen Menschenhandel und Förderung der Prostitution wurde auch für die einzige Frau. Ihr Anwalt sagte, sie sei nicht zu bestrafen, da sie in einem entschuldbaren Notstand gehandelt habe.

Die 29-Jährige hatte selbst als Prostituierte im Bolenberg gearbeitet und die Seite gewechselt, nachdem sie eine Beziehung mit dem Geschäftsführer der Kontaktbar eingegangen war. Sie habe gehorcht, um ihre neue Freiheit zu verteidigen, sagte ihr Anwalt. Er bezeichnete sie als Werkzeug ohne Entscheidungskompetenz.

Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich hier um einen speziellen Fall. Es widerstrebe ihr, die Frau als Beschuldigte zu bezeichnen, sagte Oberstaatsanwältin Carla Contratto, auch wenn ihr Wechsel ins Lager ihrer Peiniger nicht ganz nachvollziehbar sei.

Klar war für Contratto die Rolle der neun Männer. Sie warf ihnen vor, in unterschiedlicher Intensität zum Funktionieren des Bolenbergs beigetragen zu haben. Der im Milieu unerfahrene Geschäftsführer sei auf deren Rat und Tat angewiesen gewesen.

Gemäss Contrattos Darstellung herrschte im Bolenberg ein Terrorregime. Der Austausch von Frauen zwischen dem Bordell Hotel Schloss Nidau BE und dem Bolenberg sei sogar vertraglich geregelt gewesen. Die Oberstaatsanwältin setzt ihr Plädoyer am Mittwoch fort.

sda