Die Stimmenzähler hatten an der Traditionsveranstaltung bei der Wahl des Sennenvaters und der Sennenbeamten viel zu tun.
In der Kirche St.Michael in Spiringen hielt Pfarrer Jan Strancich gestern Sonntag seine letzte heilige Messe vor seinem Abschied aus dem Schächental. «Heute dürfen wir das Fest der drei Erzengel Michael, Raphael und Gabriel feiern», erklärte er. Der Pfarrer wies darauf hin, dass jeder Mensch einen Schutzengel an seiner Seite habe. Die Jodellieder des Hobbychörlis Bürglen, welches den Gottesdienst umrahmte, berührten die Gläubigen in der Kirche .
Nach dem Gottesdienst traf man sich bei wunderbarem Herbstwetter zur St.Michaelsgemeinde vor der Pfarrkirche Spiringen. Versammlungsleiter Max Baumann, der amtsälteste Spirgner Vertreter im Landrat, blickte auf das vergangene Sennenbruderschaftsjahr zurück. «Wir hatten einen herrlichen Sommer mit viel Sonnenschein, aber es gab auch genügend Regen», so Baumann. Wegen des vielen Schnees in den Bergen erfolgte die Alpfahrt auf den Urnerboden erst am 15. Juni respektive neun Tage später als im vergangenen Jahr. Trotz des heissen Wetters konnte genügend Heu für das Vieh gesammelt werden. Die letztjährige Sennenkilbi in Bürglen sei ganz im Zeichen des 425-Jahr-Jubiläums der Sennenbruderschaft gestanden. «Obwohl der Föhn den Fahnenschwingern einen Strich durch die Rechnung machte, gab es ein paar sehenswerte Darbietungen», so der Vorsitzende.
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete will die Berglandwirtschaft stärken. Deshalb fordert sie Korrekturen bei der Agrarpolitik 2022. «Weniger Freude hatten die Bauern, dass von den ‹Linken› eine Kampagne geführt wird, die fordert, dass weniger Fleisch konsumiert werden soll, weil das Rindvieh für 13 Prozent des gesamten CO2-Ausstosses verantwortlich sei. Wo führen solche Forderungen nur hin», fragte der Vorsitzende in die Runde.
Probleme bereitet weiterhin der Wolf, der in diesem Jahr wiederum zahlreiche Schäden an Schafen angerichtet hatte. «Befriedigt konnten wir zur Kenntnis nehmen, dass das Parlament das revidierte Eidgenössische Jagdgesetz genehmigt hat. Aber prompt wurde das Referendum von Umweltkreisen und Linken angekündigt», erklärte Baumann weiter.
Die von Kassier Erich Arnold geführte Rechnung wies einen Verlust von 4927 Franken aus. Grund für das hohe Defizit war der Aufwand für die Feierlichkeiten zum 425-Jahr-Jubiläum.
Turnusgemäss war Bürglen in diesem Jahr an der Reihe, um den Sennenvater zu stellen. Der abtretende Karl Herger schlug als Nachfolger den Bürgler Robert Riedi vor. «Dieser Vorschlag ehrt mich, aber ich habe das Gefühl, dass es Josef Planzer mehr verdient hätte als ich», meinte er. Aus der Versammlungsmitte wurde mit Peter Stadler («Haggliger») ein weiterer Vorschlag eingebracht. «Ich hatte bisher immer viele öffentliche Ämter und habe alle immer wieder gerne gemacht. Ich war doch etwas überrascht über diese Anfrage, und ich meine, dass jetzt das Volk entscheiden soll», sagte er. Damit nicht genug. Ein weiterer Redner schlug den 72-jährigen Alois Bissig («Hammerer») vor. Nach insgesamt vier Abstimmungen stand dann fest, dass der 67-jährige Josef Planzer mit 66 Stimmen zum neuen Sennenvater gewählt worden war.
Bei den nächsten Wahlen ging es im gleichen Stil weiter, denn es wurden bei allen vier zu wählenden Personen jeweils drei bis vier junge Männer ins Rennen geschickt, und die Stimmenzähler hatten tatsächlich alle Hände voll zu tun. Zum Sennenhauptmann wurde mit 74 Stimmen der von seinem Vorgänger vorgeschlagene Roman Herger aus Schattdorf gewählt worden. Als Sennenstatthalter machte Adrian Imhof, Spiringen, mit 69 Stimmen das Rennen. Als Sennenvorfähnrich wird Dominik Kempf aus Altdorf (42 Stimmen) amtieren. Und schliesslich übernimmt der Unterschächner Daniel Kempf das Amt als Sennennachfähnrich von seinem Vorgänger David Kempf.
Nach der Wahl sagte der neue Sennenvater Josef Planzer unserer Zeitung gegenüber: «Für mich und meine Frau ist diese Wahl eine grosse Wertschätzung, und ich habe innerlich eine Riesenfreude», so der dreifache Familienvater. «Aber ich bin nicht der Typ der grossen Worte und gehe dem Rummel immer lieber aus dem Weg.» Gerechnet habe er mit dieser Wahl überhaupt nicht. «Als 67-Jähriger bin ich eigentlich pensioniert, aber ich helfe sehr gerne meinem Sohn auf dem Heimbetrieb Lehn, und dazu gibt es Arbeit auf der Hochalp in Realp.» Dort bewirtschaften die Planzers noch 25 Hektaren Naturwiesen und Weiden. Und im Sommer ist der neue Sennenvater Älpler auf der Garschenalp unter dem Furkapass. «Und nun muss ich bis zur Sennenkilbi in Bürglen mit dem Fahnenschwingen noch etwas üben, denn seit meiner Jugendzeit habe ich nie mehr eine solche Fahne in der Hand gehabt», meinte Planzer abschliessend.
Landratspräsident Pascal Blöchlinger zeigte sich nach dem Besuch des Anlasses in Spiringen tief beeindruckt von der ergreifenden Jodlermesse und den demokratischen Ausmarchungen vor der Kirche. Er rät der Sennenbruderschaft: «Ich gratuliere den Gewählten und freue mich an den vielen Traditionen, die hier gepflegt werden. Macht weiter so.»