Potenzial für alpinen Solarstrom

Das Institut «Kulturen der Alpen» hat untersucht, ob sich dank Strom aus den Alpen die Winterlücke schliessen lässt.

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Die Windkraftanlage auf dem Gotthardpass.

Die Windkraftanlage auf dem Gotthardpass.

In Zusammenarbeit mit der Stiftung Alpines Energieforschungscenter hat das Urner Institut «Kulturen der Alpen» – unter der Leitung von Ivo Schillig und Boris Previšić – eine breit angelegte interdisziplinäre Studie in Auftrag gegeben. Sie trägt den Titel «Alpenstrom jetzt!». Eingeladen waren drei Wissenschafter und eine Wissenschafterin, ihre Expertise aufgrund ihrer eigenen Forschungserfahrung einzubringen. Sie gingen der Frage nach, ob die Schweiz dank Alpenstrom die sogenannte Winterlücke schliessen könnte, ohne auf Erdgas angewiesen zu sein.

So sehr die Situation der Versorgungssicherheit gegenwärtig problematisiert wird, so deutlich arbeitet die Studie heraus, dass sich die Politik dank Alpenstrom einen neuen Handlungsspielraum eröffnet und sich von einer fossilen Pfadabhängigkeit, vor allem von Erdgas, lösen könne, wie es in einer Mitteilung heisst.

«Wasserkraft hat den Plafond erreicht»

So halten die beiden Herausgeber der Studie, Schillig und Previšić, fest, dass die Schweiz die Dekarbonisierung sämtlicher Lebensbereiche entschieden anzugehen habe. Dekarbonisierung in der Schweiz bedeute in erster Linie Elektrifizierung von Mobilität, Gebäuden und Industrie mit erneuerbaren Energieträgern. So sei kurz- und mittelfristig Solar- und Windstrom ökonomisch und ökologisch am sinnvollsten. «Die Wasserkraft hat den Plafond erreicht, spielt aber im Alpenraum weiterhin eine wichtige Rolle», werden die Herausgeber zitiert.

Im mittelfristigen Szenario für die Periode zwischen 2030 und 2040, wenn die Atomkraftwerke vom Netz gehen, könne der zusätzliche Bedarf an Energie mit Fotovoltaik und Wind gedeckt werden. Dabei haben Mittelland und Alpen je eine eigene Verantwortung für die ganze Schweiz, den grössten Anteil würden Fotovoltaikanlagen im Mittelland übernehmen. Entscheidend als saisonales Gegengewicht seien aber alpine Fotovoltaikanlagen, heisst es weiter. «Da die Siedlungsdichte im hochalpinen Raum minimal ist, sind – neben Fotovoltaik an Fassaden, Lawinenverbauungen und weiteren Infrastrukturen – Freiflächenanlagen notwendig», heisst es weiter.

Politik könne Ausbau forcieren

Daraus ergebe sich ein klarer politischer Handlungsbedarf, wie die Spezialistin für Energiepolitik Léonore Hälg in der Studie festhalte. Es sei nötig, dass sich das Parlament für einen zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Winterstromproduktion und die entsprechende Finanzierung ausspreche. Ob die dafür nötigen Mittel aus einer Erhöhung des bereits heute existierenden Netzzuschlags oder aus einem besonderen Winterzuschlag stammen, sei dabei irrelevant. In jedem Fall brauche es zusätzliche Einnahmen, um die erneuerbare Winterstromproduktion erheblich auszubauen und so die Versorgungsqualität in der Schweiz zu gewährleisten. Nutzniesser seien in erster Linie Kantone und Gemeinden in den Berggebieten.

Doch welcher Weg zu dieser Lösung ist ökonomisch am sinnvollsten? Der Energieökonom Florian Egli schreibe in der Studie, dass Investitionsbeiträge für interessierte Investoren wenig Sinn ergäben, «denn sie reduzieren das Risiko nicht». Weil Kapital ausreichend vorhanden sei, bringe eine Senkung des Investitionsbedarfs im kommerziellen Bereich wenig. Effektiver sei es, mit einer auktionierten Einspeisevergütung, einer sogenannten gleitenden Marktprämie, das Risiko der unsicheren zukünftigen Erträge zu eliminieren. So garantiere die gleitende Marktprämie dem Energieproduzenten einen minimalen Preis pro Kilowattstunde und ermöglicht eine langfristige finanzielle Sicherheit.

Alpine Fotovoltaikanlagen für «weitsichtige Politik»

Die beiden Herausgeber Ivo Schillig und Boris Previšić kommen zum Schluss: «Solaranlagen im Alpenraum leisten einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, zur Versorgungs- und Investitionssicherheit und öffnen den notwendigen Handlungsspielraum für eine weitsichtige Politik.» (lur)