Fabienne Welti lernt den Beruf Fachfrau Gesundheit. Unsere Zeitung hat sie auf der Gebärabteilung des Kantonsspitals besucht und sich mit ihr über den abwechslungsreichen Job unterhalten.
Es ist still im blitzblank geputzten Gang. Der sterile Duft von Desinfektionsmittel liegt in der Luft. Durch die lila gefärbte Tür dringt das Schreien eines Kleinkinds. Aus einer anderen Tür kommt eine junge Frau mit blauem T-Shirt, in ihrer Brusttasche stecken verschiedene Kugelschreiber. Sie nimmt sich einen Spritzer Desinfektionsmittel und verreibt dieses auf ihren Händen. Dann beginnt sie, das leere Bett, das im Flur bereitsteht, neu zu beziehen.
Im Zimmer neben dem Bett sieht man durch eine Glastür winzige Bettchen mit Rollen. Im hinteren Bereich des Raumes stehen weitere Bettchen mit einem Plexiglasrahmen – im Volksmund würde man diese wohl als «Brutkasten» bezeichnen. «An die dürfen nur die Diplomierten ran», sagt Welti. Die 17-jährige Schattdorferin lernt den Beruf Fachfrau Gesundheit, kurz Fage. Das dritte Lehrjahr absolviert sie nun auf der Gebärabteilung des Kantonsspitals Uri.
Weltis Arbeitstag beginnt um 6.50 Uhr. «Als Erstes lesen wir uns in die Patientenakten ein», erklärt sie. Auf einer ersten Runde werden den Patienten Blutproben entnommen. Während die Neugeborenen zum Wickeln ins Babyzimmer gebracht werden, können sich die Mütter am Frühstücksbuffet bedienen. Im Laufe des Morgens bereitet die Fage-Lernende die Betten, begleitet Patientinnen zur Physiotherapie und misst da und dort Puls und Blutdruck. Die Gynäkologie-Patientinnen, die ebenfalls auf derselben Station sind, werden zum Teil bei der Körperpflege unterstützt. Dann wird das Mittagessen serviert. «Am Nachmittag helfen wir beim Putzen und Verräumen mit.» Zwischendurch gilt es, die einzelnen Arbeitsschritte zu dokumentieren. Um 15.45 Uhr übernimmt schliesslich der Spätdienst. Im Gegensatz zur Gebärabteilung müsse man auf den anderen Spital-Abteilungen, welche die Lernende in ihren ersten beiden Ausbildungsjahren kennen gelernt hat, mehr Medikamente verteilen, Verbände anlegen oder Infusionen stecken. «Es gibt eigentlich keine Arbeiten, die mir nicht gefallen», sagt die Schattdorferin.
Trotzdem komme es auch zu unangenehmen Situationen. «Für mich ist es schlimm, zu sehen, wie eine Person an einer Maschine angeschlossen ist, obwohl ihre Lebenschancen gering sind. Doch man darf oft die Maschine aus irgendwelchen Gründen nicht abschalten.» Stressig sei der Job, wenn mehrere Notfälle gleichzeitig zu bewerkstelligen seien. «Dann muss man schauen, dass man eines nach dem andern erledigt», weiss Welti. «Über schwierige Situationen tauschen wir uns im Team aus. Wegen dem Datenschutz dürfen die Details aber das Spital nie verlassen.»
Einmal pro Woche besucht Fabienne Welti die Berufsschule in Altdorf. Am Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ) Uri machen die Fage-Lernenden heute den grössten Anteil aus. Sechs Klassen werden mittlerweile unterrichtet. Allein im Spital absolvieren 30 Fage ihre Ausbildung. Zusätzlich beschäftigt das Kantonsspital 20 Ausgelernte.
«Der Bedarf im Pflegebereich wächst», weiss BWZ-Rektor David Schuler. Dementsprechend gebe es viele Lehrstellen. «Für die Lernenden ist es einfach attraktiv, einen Beruf zu haben, bei dem man in direktem Kontakt mit Menschen steht.» Dies bestätigt auch Fabienne Welti.
Offensichtlich ist dieser Wunsch jedoch bei den Frauen ausgeprägter als bei den Männern. So gibt es in den sechs Berufsschulklassen gerade mal vier Herren. «Die Geschlechterrollen sind sicher noch stark zu spüren», sagt Rektor Schuler. Bei den Elektromonteuren sehe das Frau-Mann-Verhältnis wieder genau umgekehrt aus. «Das Pflegerische spricht offenbar die Frauen mehr an.»
Fabienne Welti ist eher per Zufall im Gesundheitsbereich gelandet. «Ich wollte Kindergärtnerin werden», erinnert sie sich an ihren frühesten Berufswunsch. Als es ums Schnuppern ging, schaute sie beim Detailhandel und bei Kleinkindererziehern rein. Doch der Pflegeberuf sagte ihr schliesslich am meisten zu.
«Meine jetzige Ausbildung hat mich auch privat weitergebracht», erklärt Welti. «Man lernt viele Krankheitsbilder kennen und weiss, wie man mit einer Verletzung oder einer Grippe richtig umgeht, ohne dass man immer gleich zum Arzt rennen muss.» Sie habe Menschen in allen Lebenslagen kennen gelernt: «Mein Beruf reicht von der Versorgung eines Neugeborenen bis zur Betreuung von betagten Menschen.» Durch ihren Job habe sich auch ihre Sicht aufs Leben verändert. «Wenn man kranke Menschen pflegt, wird man sich selber bewusst, wie gut es einem geht.»
Welti schätzt aber auch die Weiterbildungsmöglichkeiten, die der Beruf mit sich bringt. So hat sich die 17-Jährige bereits jetzt für die höhere Fachschule beworben, um nach dem Lehrabschluss kommenden Sommer eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu beginnen. «Später würde ich gerne Physiotherapeutin werden.» Aber auch das Spital zu verlassen und einmal in einem Altersheim zu arbeiten, kommt für die junge Schattdorferin in Frage.
Florian Arnold
florian.arnold@urnerzeitung.ch
Hinweis
Am 24. September stimmt die Urner Bevölkerung über den Kredit für den Um- und Neubau des Kantonsspitals ab. Unsere Zeitung blickt hinter die Kulissen des grossen Urner Arbeitgebers und porträtiert in loser Folge einige Berufsleute.