Startseite
Zentralschweiz
Modelleisenbahnen stammten ursprünglich aus dem Ausland. Ab 1944 begannen mehrere Firmen in der Zentralschweiz, selbst welche herzustellen. Doch sie überlebten nicht lange.
Es ist heute kaum mehr bekannt – doch einst waren Luzern und die Innerschweiz eine Modelleisenbahn-Hochburg. Mehrere Hersteller hatten hier ihren Sitz. Aufgekommen sind die Firmen vor 75 Jahren um 1944, also gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, wie Beat Klarer sagt. Der durch eine SFR-Dokumentation bekannte Eisenbahn-Experte, der im Verkehrshaus aufgewachsen ist, hat sich in seiner Freizeit mit der Geschichte der historischen Modelleisenbahn-Industrie beschäftigt.
Es seien nur noch wenige Dokumente über die damaligen Firmen vorhanden, so Klarer. Deren Gründung hänge aber eindeutig mit dem Weltkrieg zusammen. «Zuvor wurden Modelleisenbahnen in Deutschland von Märklin, Bing et cetera produziert.» Diese Firmen konnten während des Kriegs nicht mehr liefern. Also mussten sich die Schweizer selbst helfen.
In Luzern entstand die Firma CAR, von Inhaber Borel, Pauli & Co mit Sitz in Emmenbrücke und Luzern. Weiter stellte die elektromechanische Werkstatt von Rudolf Emil Sanchioni an der Zürichstrasse 68 in Luzern Modelleisenbahnen her. Es waren kleine Firmen mit wenigen Mitarbeitern, zusätzlich griffen sie auf Drittfirmen zurück. Diese Hersteller hätten zum Teil technische Pionierarbeit geleistet, so Beat Klarer. Die Schnellzugslokomotive Ae 4/7 von CAR mit der Spurweite H0 beispielsweise sei später in modifizierter Form von der heute noch bestehenden Firma HAG übernommen worden. Die Werkstatt Sanchioni habe 1945 die erste Gotthardlokomotive Ae 4/6 unter dem Markennamen Resal hergestellt. Verkauft wurden die Modelle vor allem durch die Unternehmen Franz Carl Weber oder Feucht in Zürich.
Weitere Hersteller entstanden im Kanton Zug. Die Werkstatt Ernst Notter in Unterägeri brachte 1945 die Marke Erno auf den Markt, ab 1947 baute Alois Keiser in Zug hochwertige Spur 0 Modelleisenbahnen, so Klarer.
Dass die Zentralschweiz zur Modelleisenbahn-Hochburg wurde, dürfte Zufall gewesen sein. «Es handelte sich um Firmen, die selbstständig agierten», sagt Klarer. Allenfalls spielte eine Rolle, dass der Spielwaren-Hersteller Stokys damals noch im Luzerner Maihofquartier seinen Sitz hatte und so das technische Wissen vorhanden war. Stokys führte zwar keine Eisenbahnen, doch Sanchioni lieferte auch Motoren-Bauteile an Stokys.
Die meisten Hersteller überlebten nur wenige Jahre. «Nach dem Weltkrieg konnten deutsche Hersteller wie Märklin wieder liefern, und dies dank ihrer Grösse zu deutlich tieferen Preisen», sagt Klarer. Für eine Schweizer Lok habe man damals zwischen 50 und 100 Franken bezahlt.
«Das war damals sehr viel Geld und für normale Arbeiter kaum bezahlbar.»
Deutsche Modelle habe es bereits für rund 20 Franken gegeben. Resal habe immerhin noch bis in die 60er-Jahre Modelle und Ersatzteile geliefert. Noch länger – bis schätzungsweise in die 70er-Jahre – produzierte Alois Keiser. «Es handelte sich um sehr hochwertige Modelle für gutbetuchte Kunden, die nicht für den Massenmarkt ausgelegt waren.»
Die Zeit überdauert hat aber nur jener Hersteller, der ursprünglich nicht aus der Zentralschweiz stammte: die 1944 im Kanton St. Gallen gegründete Firma HAG. Inzwischen produziert diese aber auch in der Region. 2012 zog die Firma nach Stansstad. Es handle sich um den einzigen Schweizer Anbieter, der seriell produziert, so Klarer. Es gebe aber noch kleine Hersteller, die exklusive Modelle ins sehr kleinen Mengen herstellten, ihre Modelle aber teils in Fernost produzieren lassen. Ein Beispiel dafür sei Fulgurex in Lausanne.