CHAM: «Teams mit Frauen und Männern sind kreativer»

Isabelle Santamaria-Bucher ist Geschäftsführerin des Nationalen Zukunftstags, der morgen stattfindet. Sie stellt sich kritischen Fragen zu dieser jährlich wiederkehrenden Veranstaltung.

Raphael Biermayr
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Isabelle Santamaria. (Bild: PD)

Isabelle Santamaria. (Bild: PD)

Interview: Raphael Biermayr

raphael.biermayr@zugerzeitung.ch

Isabelle Santamaria, ist es wirklich nötig, dass mehr Frauen männerdominierte Berufe ausüben und umgekehrt?

Ja. Gemischte Teams sind kreativer und erfolgreicher. Ausserdem ist es wichtig, dass beispielsweise in Pflegeberufen oder in der Primarschule die Pflegebedürftigen oder Schüler auch mit Männern in Kontakt kommen.

Entspricht diese Geschlechtsunabhängigkeit denn einem Bedürfnis der Jugendlichen, oder ist sie nicht vielmehr von oben herab vermittelt?

Wir zwingen niemandem etwas auf. Die Jugendlichen sollen einfach ohne Druck Einblick in verschiedene Berufe erhalten. Ich kenne eine junge Frau, die zur Informatiklehre fand, nachdem sie ihren Vater zur Arbeit begleitet hatte. Oder eine Frau, die sagt, dass sie nie Polymechanikerin geworden wäre, wenn sie nicht durch den Nationalen Zukunftstag die Chance gehabt hätte, Einblick in diesen Beruf zu erhalten.

Das sind Einzelfälle. Gibt es einen messbaren gesamtheitlichen Erfolg des Nationalen Zukunftstags?

Es ist belegt, dass mehr Frauen Informatikberufe ausüben. Zudem hat eine Studie aus dem Jahr 2015 unserer Arbeit positive Auswirkungen bescheinigt. Es ist aber ein Weg der kleinen Schritte bis zur absolut freien Berufswahl. Der Nationale Zukunftstag ist nur ein Puzzle­teil neben Schulen, Eltern, Wirtschaft und Bildungspolitik.

In erwähnter Studie steht auch, dass der Punkt «Förderung der Gleichstellung der Geschlechter» kaum einer teilnehmenden Firma wichtig ist.

Mag sein. Am Zukunftstag geht es vielen Firmen auch darum, sich zu präsentieren.

Ist es schwierig, Firmen für den Nationalen Zukunftstag zu gewinnen?

Für das Grundprogramm nicht, für die Spezialprogramme hingegen schon. Im Kanton Zug ist beispielsweise die Nachfrage klar grösser als das Angebot, weshalb manche Jugendliche in andere Kantone ausweichen. Vor kurzem haben wir zudem einen schweren Schlag hinnehmen müssen, als der Maschinenbauer Trumpf angekündigt hat, den Standort Baar zu schliessen. Dort erhielten jedes Jahr 25 Schülerinnen Einblick in Technikberufe.

Sagen Ihnen Firmen ab, die Sie für die Umsetzung von Spezialprogrammen anfragen?

Ja, das kommt vor. Manche Unternehmen sind schon genug gefordert, wenn sie am Nationalen Zukunftstag im Rahmen des Grundprogramms die Kinder ihrer Mitarbeiter einladen. Dennoch bieten wir jedes Jahr neue Projekte an, diesmal die Waldberufe für Mädchen sowie die Ergotherapie für Jungs.

Es macht den Anschein, dass Ihre Arbeit nie enden wird.

(Lacht) Ich hoffe schon! Wenn junge Männer und Frauen ihren Beruf frei von allen stereotypen wählen können, ist es so weit. Aber es ist wie erwähnt ein weiter Weg.

Und das frustriert Sie?

Nein, es treibt mich vielmehr an, meine Arbeit zu machen.

Gibt es eigentlich Berufe, die nicht vom jeweils anderen Geschlecht ausgeübt werden können?

Nein, da sehe ich keine Grenzen. Es gibt ja mittlerweile auch männliche Hebammen. Und wenn ich höre, dass Frauen in gewissen Berufen zu schwer tragen müssten, dann entgegne ich, dass auch Pflegerinnen schwer zu tragen haben. Man kann dabei auch Hilfsmittel einsetzen. Es ist nur eine Frage der Kreativität.