In einem Vorstoss verlangten Kantonsrat Luzian Franzini (ALG/Zug) und Kantonsrätin Esther Haas (ALG/Cham) Massnahmen gegen das Racial Profiling zu prüfen und einen entsprechenden Massnahmenplan auszuarbeiten. Die Regierung sieht keinen Handlungsbedarf.
Der Regierungsrat betont in seiner Postulatsantwort, dass «er diskriminierendes Verhalten seitens Behörden und Polizei für ein ernst zu nehmendes Thema hält». Die Unruhen in den USA, die der Tod von George Floyd während seiner Verhaftung auslöste, führten vor Augen, dass eine Gleichbehandlung der Bevölkerung ohne Diskriminierung durch die Polizei erwartet werden könne. «Die Schweiz ist davon nicht ausgenommen», schreibt der Regierungsrat weiter. Polizeikorps etwa in Zürich oder der Westschweiz seien mit konkreten Vorwürfen der Rassendiskriminierung konfrontiert.
Die Postulanten hatten die statistische Erfassung von Personenkontrollen nach Aufenthaltsstatus und Kontrollgrund, die Anpassung der Kriterien für Personenkontrollen, die Einführung eines Quittungssystems bei Personenkontrollen sowie verstärkte Sensibilisierungsmassnahmen innerhalb des Korps zur Verminderung von Racial Profiling vorgeschlagen.
Gerät ein Polizeikorps in den Ruf diskriminierend zu handeln, habe das grossen Einfluss auf die Polizeiarbeit, sagt der Zuger Polizeioffizier Wolfgang Moos in der «Sonntags-Zeitung» vom 14. Juni. Moos war früher Ausbildungschef bei der Zürcher Stadtpolizei. Der Umgang mit Minderheiten gehöre seit Jahren zu seinen Kerngebieten. Es sei wichtig, sich immer und immer wieder mit dem Thema zu beschäftigen, sowohl in Ausbildung als auch im Polizeialltag. Moos ist ausgebildeter Psychologe.
Würden uniformierte Polizisten generell verdächtigt, Menschen je nach Herkunft unterschiedlich zu behandeln, sei das fatal. «Jede Verhaftung eines Schwarzen ist für unsere Leute mittlerweile zu einem Spiessrutenlauf geworden», wird der Zuger Polizeioffizier in der «Sonntags-Zeitung» zitiert. Da würden sich einige Polizisten zweimal überlegen, eine Kontrolle durchzuführen, wenn das Risiko bestehe, danach in einem Video im Internet als Rassist dargestellt zu werden. Die Polizei könne vielfach nur verlieren, so Moos. So sei es beispielsweise undenkbar eine grosse Demonstration gegen Rassismus, deren Teilnehmerzahl durch die Anordnungen des Bundes eigentlich beschränkt wäre, aufzulösen. Besonders wenn auch Dunkelhäutige mitdemonstrieren. Die Polizei stünde dann sofort als rassistisch am Pranger.
Laut regierungsrätlicher Antwort auf das Postulat Franzini/Haas habe die Zuger Polizei beim Aufkommen des Themas Racial Profiling vor einigen Jahren interne Massnahmen getroffen und ein Kontrollsystem eingerichtet. Es fänden regelmässig interne Schulungen statt, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren. Ebenso würden spezielle Weiterbildungen besucht. Komme es zu Beschwerden oder Reklamationen, so prüfe der Rechtsdienst der Polizei ob seitens der Polizei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit eingehalten worden sei oder diskriminierendes Verhalten vorliege. Zudem würden allfällige Vorfälle im Zusammenhang mit Racial Profiling in der internen Beschwerdestatistik gesondert aufgeführt. Die Zuger Polizei stünde auch in engem Kontakt mit der Ombudsstelle des Kantons und pflege einen Austausch mit anderen Polizeikorps.
Personenkontrollen seien nun einmal notwendig, um die öffentliche Ordnung aufrechterhalten zu können, so der Regierungsrat. Solche Kontrollen seien – dessen sei man sich bewusst – ein Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit. Deshalb besage eine interne Dienstvorschrift, dass keine Person ohne Anlass (mit Ausnahme des Strassenverkehrs) kontrolliert werden dürfe.
Ohnehin hat der Rechtsdienst der Zuger Polizei in Sachen Racial Profiling kaum etwas zu tun. Laut Postulatsantwort fanden in den Jahren 2015 bis 2019 im Kanton jährlich zwischen 143 und 217 Personenkontrollen mit sogenanntem Anhaltungsbericht statt. «In diesem Zeitraum wurde lediglich einmal, im Jahr 2018, der Vorwurf des Racial Profiling erhoben», heisst es in der Antwort. Die Ombudsstelle des Kantons Zug habe die Beschwerde eingehend geprüft und sei zum Schluss gekommen, sie sei ungerechtfertigt. Aufgrund dessen und der dargelegten bereits bestehenden laut Regierung genügenden Massnahmen wird beantragt, das Postulat erheblich zu erklären und als erledigt abzuschreiben.
Der Zuger Polizeioffizier Wolfgang Moos befürchtet, dass in der Schweiz die Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz laut werden könnte. Die Stadt Berlin hat bereits ein solches eingeführt. Dort muss die Polizei nun bei Beschwerden den Beweis erbringen, dass eine Kontrolle nicht diskriminierend war, sonst drohen Strafen. «Die Polizei wird dadurch handlungsunfähig, ja demontiert», wird Moos in der «Sonntags-Zeitung» zitiert. «Das ist eine beängstigende Entwicklung.»
Allerdings stellt Wolfgang Moos nicht in Abrede, dass es Verbesserungspotenzial gebe. Bei der Polizei sei es wie in anderen Berufen. Die grosse Mehrheit leiste ausgezeichnete Arbeit, ein paar wenige seien jedoch der Aufgabe nicht gewachsen. Diese müssten in der Ausbildung erkannt werden. Das gelinge zwar bei einem erheblichen Teil, aber eben nicht immer.