MUSIK: Carl Rütti: «Persönliches Bekenntnis zu Zug»

Am Sonntag begeisterte der Zuger Komponist Carl Rütti mit der Uraufführung seines Werks «Zugersee». Im Interview spricht er übers Komponieren, grosse Meister und Inspiration.

Haymo Empl
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Das Duo Praxedis und die Zuger Sinfonietta führten in Unterägeri Carl Rüttis «Zugersee» erstmals auf. (Bild: Werner Schelbert (5. November 2017))

Das Duo Praxedis und die Zuger Sinfonietta führten in Unterägeri Carl Rüttis «Zugersee» erstmals auf. (Bild: Werner Schelbert (5. November 2017))

Interview: Haymo Empl

redaktion@zugerzeitung.ch

Carl Rütti, wie gehen Sie vor bei einer Komposition wie bei «Zugersee»?

Da ich in der glücklichen Lage bin, dass ich seit vielen Jahren Kompositionsaufträge erhalte, läuft es bei mir so ab: Zuerst schaue ich, was gegeben ist – Besetzung, Dauer, eventuell Text und so weiter und stelle mir ein Büchlein mit all diesen Angaben zusammen, das ich dann meistens bei mir trage und studiere.

Das Büchlein ist sozusagen die Sammlung Ihrer Ideen und Inspirationen?

Es fallen mir Inspirationen und Ideen ein, die ich dann in dieses Skizzenbuch notiere, sowohl in beschreibenden Worten als auch in Zeichnungen. Mit der Zeit entsteht so die Form, der Charakter des Werkes, zum Teil auch bereits gewisse Melodien. Auch wenn ich eventuell vom Ganzen noch nicht vollends überzeugt bin, setze ich mich schon bald ans Klavier und suche improvisierend nach den Klängen der Skizzen. Diese Klänge bleiben mir im Gedächtnis hängen, sodass ich mit ihnen unterwegs im Kopf weiterarbeiten kann. Von jetzt an sind Computer und Klavier die beiden wichtigsten Kompositionswerkzeuge. Im Verlauf dieser Arbeit kann sich noch einiges sogar in der Form ändern. Nach Abschluss der reinen Kompositionsarbeit folgen meistens noch allerlei rein technische Arbeiten, wie Stimmen herstellen, Layout der Partitur verbessern, Klavierauszüge, Chorstimmen ... Diese Arbeiten nehmen meistens ungefähr so viel Zeit ein, wie das eigentliche Komponieren, sind aber einfacher zu bewältigen, da das Werk ja bereits steht.

Der erste Satz in der Kompo­sition heisst «Sunset Blues». Was inspiriert Sie?

Inspiriert werde ich von allem Möglichen: von Naturstimmungen, Gedichten, Malereien, anderer Musik – beispielsweise vom englischen Chorgesang.

Wie würden Sie «Zugersee» in Worte fassen?

«Zugersee» hat zwei Aspekte: Erstens ist es ein Doppelkonzert, das versucht, die Harfe und das Klavier jeweils in ihrer anderen Eigenart zu zeigen und mit den Streichern in Zwiesprache zu bringen. Zweitens ist es mein persönliches Bekenntnis zum See, an dem ich aufgewachsen bin.

Sie haben schon verschiedenste Werke komponiert, sogar einmal ein Musical. Warum komponieren Sie selbst und spielen nicht einfach Stücke anderer?

Meine eigentliche Berufsausbildung war Pianist und Organist. Ich hatte aber schon als Kind den Drang, eigene Musik zu machen; im Gymnasium dann galt meine Vorliebe der Jazz-Improvisation: Ich spielte Klavier in einem Trio (Drum, Bass, Piano). Später aber erkannte ich, dass mich meine Musik erst ganz überzeugt, wenn ich über eine längere Zeit daran gefeilt habe. So begann ich, Stücke zu komponieren. Die ersten grösseren Kompositionen entstanden während meines Studienjahres in London: zehnstimmige A-cappella-Chorwerke inspiriert durch die reine Singweise englischer Chöre.

Um bei den «Meistern» zu bleiben: Gibt es da Favoriten?

Meine Vorliebe gilt nicht einem einzelnen Komponisten, sondern vielmehr dem einen oder anderen seiner Werke. Wenn ich alle meine Lieblingswerke aufzählen müsste, bräuchte ich noch einige A4-Seiten.

Und was ist Ihr Favorit in «Zugersee» oder anders gefragt, welcher Satz ist Ihnen besonders gelungen?

Ich liess es mir nicht nehmen, letzte Woche alle Proben zum Doppelkonzert «Zugersee» zu besuchen. Das Werk ist viersätzig, und ich könnte mich schwerlich entscheiden, einem Satz den Vorrang zu geben. Alle gefallen mir in ihrer verschiedenen Art gleichermassen, vor allem auch, weil sie von den Musikern so hervorragend interpretiert wurden. Sowieso ist es stets mein Ziel beim Komponieren, dass ich selber bei der Aufführung völlig begeistert und mitgerissen sein kann. Und diesmal trifft das absolut zu.