Heute wird offiziell das Kunstwerk «Seesicht» von Roman Signer (77) eingeweiht. Vorab beschreibt der Künstler seinen lang gehegten Traum.
Herr Signer, was bedeutet es für Sie, dass Ihr Kunstwerk fünf Jahre nach Ihrer kühnen Idee – die, wie Sie mal sagten, in der Badewanne heranreifte – nun am Zugerseeufer steht?
Roman Signer: Ich habe immer daran geglaubt, dass es klappt. Ich wusste, dass es nicht leicht wird mit der Finanzierung. Mit dem Standort. Mit den technischen Details. Umso glücklicher bin ich nun, dass ich meinen Traum verwirklichen konnte. Es hat einfach eine Weile gedauert – und die Jahre sind vergangen.
Was bedeutet es für Zug, dass Ihre Skulptur nun an diesem Ort errichtet wurde?
Signer: Für Zug ist es wichtig, dass die Menschen den See so erfahren und erleben können, wie er sich in seinem Innersten zeigt. Man kann ja über die Treppe steil hinuntersteigen in die Tiefe des Zugersees. Und dort die Kälte des Sees spüren. Die Fische beim Vorbeischwimmen beobachten. Die Lichtspiele im Wasser durch die einfallende Sonne geniessen. Das Wasser als Bild wahrnehmen.
Für viele Menschen ist eine Skulptur im traditionellen Sinn eher so was wie jene Bronzefigur von Henry Moore im Seeliken-Bad. Warum nennen Sie Ihr Kunstwerk eine Skulptur?
Signer: Meine Skulptur ist eben nicht nur zum Anschauen. Man kann quasi in sie hineingehen – die Skulptur soll für alle Sinne sein. Ich kann verstehen, dass manche ältere Leute mit moderner Kunst nichts anfangen können – man muss sich aber gar nicht damit belasten: Man kann die «Seesicht» einfach nur erleben und auf sich wirken lassen.
Ihr Kunstwerk heisst «Seesicht». Glauben Sie, dass sich die Zuger mit dieser ironischen Sicht auf eines der Statussymbole des Zuger Daseins anfreunden werden?
Signer: Meine Seesicht ist nicht ironisch gemeint. Sie will an die Zuger Vorstadtkatastrophe erinnern, die gleich nebenan passierte, als 1887 das Ufer in den See stürzte. Die «Seesicht» will vor allem einen anderen Blick bescheren. Wenn man ruhig unten in der Skulptur steht, glaubt man, es bewege sich etwas. Man spürt das Wasser. Es ist ein eigenartiges Gefühl: wie in einem stehenden U-Boot.
Hätten Sie Ihr Kunstwerk nicht lieber im Vierwaldstättersee oder im Barrier Reef realisiert, wo das Wasser viel klarer ist und Ihre Skulptur mehr wirken würde als im trüben Zugersee?
Signer: Nein. Dann würde der Bezug zu Zug fehlen, wo ja im Kunsthaus eine grosse Sammlung meiner Werke beheimatet ist. Sicher ist der Zugersee trüber als andere Gewässer – wahrscheinlich, weil er früher überdüngt wurde. Doch man kann auch so gut die verschiedenen Lichtspiele morgens und abends wahrnehmen. Im Herbst und im Winter wird das Wasser dann noch viel klarer sein. Klar ist aber auch: Meine Skulptur soll kein Aquarium sein. Es geht viel mehr um das körperhafte Empfinden, sich unter Wasser zu befinden.
Könnte Ihre Skulptur gar zu einem neuen Ritualort in Zug werden?
Signer: Ich bin mir sicher, dass die Jugend das Kunstwerk sehr schnell annehmen wird. Andere sind vielleicht anfangs noch ängstlich, in die Tiefe zu steigen. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis der Realisation.
Hinweis
Heute um 16 Uhr wird die «Seesicht» an der Seepromenade (Rössliwiese) offiziell eingeweiht. Die Skulptur kann täglich von 12 bis 20 Uhr gratis besichtigt werden.