ZUG: Diese jungen Frauen lernen sich zu wehren

Im Kurs «Mädchenpower» des Eff-Zett-Fachzentrums gibt es Tipps, wie sich Mädchen verbal in der Gesellschaft behaupten können. Sie machen das mit grosser Lust.

Drucken
Die Teilnehmerinnen werden auch in die Selbstverteidigungskunst eingeführt. (Bild: Werner Schelbert (Zug, 25. April 2017))

Die Teilnehmerinnen werden auch in die Selbstverteidigungskunst eingeführt. (Bild: Werner Schelbert (Zug, 25. April 2017))

«Optimistisch, stark, positiv, schlagfertig, kurios, humorvoll, offen, magisch ...», so charakterisieren sich – um nur wenige Beispiele zu nennen – die 12- bis 13-jährigen Mädchen, die sich während fünf Tagen in den Räumlichkeiten des «Eff-Zett das Fachzentrum» in Zug treffen, um sich mit den immer noch tabuisierten Themen Sexualität, Gewalt und weibliche Selbstbehauptung zu beschäftigen. Sie kommen hierher, weil sie in der Schule davon gehört haben, ihre Schwester schwärmte oder die Eltern sie darauf aufmerksam machten. Die Gründe sind vielfältig, aber eines interessiert sie alle: was es heisst, eine junge Frau zu sein, eine starke, eine mutige, eine, die sich nicht reduzieren lässt auf körperliche Attraktivität. Aber auch eine Frau, welche ihre Grenzen kennt, Nein sagen kann oder sich notfalls sogar physisch zu wehren weiss.

Auf Matten, Kissen und Schlafsäcken sitzen die dreizehn Mädchen fröhlich im Kreis auf dem Boden, um einen grossen Rosenstrauss herum, umgeben von Papierblöcken und vielen Farbstiften. An den Wänden hängen ihre «Porträts», grosse Plakate mit ihren Namen und denjenigen ihrer Eltern und Geschwister, mit Hinweisen zu Wohnort und Schule und ihren Hobbys.

Die Mädchen verstehen sich schnell miteinander

Am ersten Tag haben sie sich, angeleitet durch Sozialarbeiterin Esther Käch, kennen gelernt und unter anderem «Taschen» erstellt, in denen sie ihre Stärken von A bis Z gesammelt haben. Diese sind ein Schatz, den sie den anderen präsentieren müssen und den sie fortan selbstbewusst mitnehmen können. Das fördert auch die Gruppendynamik: «Schon jetzt, nach eineinhalb Tagen, haben wir einen tollen Zusammenhalt», erzählt Selina begeistert. Mädchenpower als Frauen-Solidarität – dies ist eines der erklärten Ziele des Kurses. Als ein Mittel gegen die vielen Ängste, die Mädchen schon früh täglich mit sich herumtragen: gegen die Angst, nicht «richtig» oder nicht «schön genug» zu sein. Oder wenn umgekehrt «grosse Schönheit» einen zum leichten Opfer von sexualisierter Gewalt machen kann. Thematisiert werden auch die diffusen Vorstellungen, überfallen zu werden, nachts oder an einsamen Orten. Unsicherheit herrscht oft auch, wo die Grenze ist, an der Berührung zu Belästigung oder gar Bedrohung wird.

Es gibt eine Einführung in eine Kampfkunst für Frauen

Am zweiten Tag geht es der Wen-Do-Trainerin Jeanne Allemann deshalb um zweierlei. Zuerst bringt sie den Mädchen die Grundtechniken dieser speziell für Frauen entwickelten Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungsmethode bei. Sie lehrt Mädchen zuschlagen, Fusstritte, Ohrfeigen und Kinnhaken austeilen. Das Einstehen für sich selbst wird so auf die konkrete körperliche Ebene geholt. «Dein Körper gehört zu jeder Zeit dir, niemandem sonst. Niemand darf ihn anfassen, wenn du das nicht willst.» Diese Sätze schärft die Trainerin im anschliessenden Gespräch den Mädchen ein. Sie erarbeitet mit ihnen die mentale Seite der Selbstbehauptung, das Neinsagen und das Schreien zur Lösung der Angstblockade im Moment eines Angriffs. Die Trainerin erzählt ihnen auch, dass in acht von zehn Fällen die Übergriffe von Tätern aus dem Familien- oder Freundeskreis ausgehen. «Die Frau ist nie schuld, wenn sie angegriffen wird», bringt Allemann den aufmerksam Zuhörenden bei, denn sexuelle Gewalt habe nichts mit «sexy Kleidung oder Verhalten» zu tun, sondern mit Macht und Ohnmacht.

Den neu erworbenen Mut zum Frausein und zum Selbstschutz werden die «Strong Girls» an zwei weiteren Tagen der Woche in dialogischen Szenen einüben können. Sie werden dies mit viel Spass und Lust tun.

Dorotea M. Bitterli

redaktion@zugerzeitung.ch