Wie war das Leben vor unserer Zeit? Das Mittelalterfest in Zug zeigte dies eindrücklich und humorig.
Ist er irre? Oder einfach nur ein Bettler mit Wunden und Abszessen? Die Gestalt in Lumpen – akkurat auf desaströs dargestellt – ist faszinierend, denn es wird klar, wie schwer es gewesen sein musste, aussätzig oder arm oder krank oder alles zusammen zu sein.
Bettler, Huren, Henker, Totengräber – sie standen im Mittelalter ausserhalb der Gesellschaft und bekamen dies auch zu spüren. Der Gaukler hingegen, der war anerkannt. Solche Infos werden ganz en passant am Mittelalterfest vermittelt. Die Stadt-Kulisse von Zug eignet sich dafür hervorragend. Mal amüsant und mit Augenzwinkern, mal dramatisch wie im Fall des aussätzigen Bettlers wurde der damalige Alltag ziemlich realistisch dargestellt. Begleitet wurde das Spektakel von einem «Mittelaltermarkt».
Was ein Blasebalg alles vermag, wurde beim Schmid eindrücklich gezeigt. Nur durch diese mannshohe Konstruktion war es möglich, die Glut auf die richtige Temperatur zu bringen. Allein die Bedienung dieses Balgs war eine Kunst für sich. Vor Ort und Publikum fertigte der Handwerker in Originalkluft allerlei Alltagsgegenstände. Bei den Heerlagern gab es Falken zu bestaunen, die da einfach hockten und warteten und sich auch nicht von den singenden Landsknechten irritieren liessen.
Die Fusion von Nostalgie, Wissen und Unterhaltung ist beim 3. Mittelalterfest mehr als geglückt, denn hinter den Rittern, Vagabunden und Gauklern stecken Menschen, die sich intensiv mit «dem Mittelalter» auseinandergesetzt haben und dieses Wissen geduldig und profund teilen. Im Gegensatz zu anderen ähnlichen Veranstaltungen stehen in Zug ganz offensichtlich die kommerziellen Interessen weniger im Vordergrund. Eher ist es die Liebe zur «alten Kunst» und die Achtung vor der Vergangenheit. Selbst die Marktfrau, die Mottenkugeln aus Arvenholz verkaufte (um im Jargon zu bleiben: «Feilbot») wusste sehr detailliert, warum ein «Arvenstübli» früher ein gern gewählter Aufenthaltsort war: Das Ungeziefer und die Mäuse mochten den Geruch des Holzes nicht und auch heute noch ergreifen die Motten die Flucht beim Duft des ätherischen Öls der Arve.
Wer wollte, konnte sich noch intensiver mit der Thematik «Mittelalter» beschäftigen: «Der Burgbach und seine Mühlen» oder «Das mittelalterliche Zug» waren beispielsweise Führungen, die rege besucht waren. Überhaupt schien es am Wochenende so, als ob sich kaum jemand dem Charme des Festes entziehen konnte: Sogar bei der Burg Zug war ein Schild mit dem Hinweis, man solle Schwerter und Hellebarden doch am Eingang abgeben.
Das Mittelalter war äusserst kriegerisch und daher konnten auch Rüstungen anprobiert werden – assistiert wird man dabei von einem blondgelockten, holden Jüngling. Kettenhemd und Helm zeigten beispielsweise, welche Last die Ritter am Körper schleppen mussten. Allein das Metallhemd konnte 30 Kilogramm ausmachen. Die Ritter verbrannten also unglaubliche Mengen an Kalorien, die dann die «Völlerey» teilweise rechtfertigte. Von dieser gab es am Fest reichlich, inklusive Spanferkel. Das Fest – ein voller Publikumserfolg und man darf hoffen, dass aufgrund der grossen Begeisterung für die Thematik auch nächstes Jahr wieder ein solch spannender und unterhaltsamer Infotainment-Mix stattfinden wird.